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Heute ist der Internationale Tag der Ruhe und auch noch der Tag der deutschen Sprache.
Gerade erleben wir es wieder, was unserer Muttersprache angetan wird. In der Pandemie spricht man nicht davon, dass wir nun den Gipfel überschritten haben, nein, man spricht vom „Peak“. Ein Virologe wirft so ein Wort in die Debatte und wir Deutschen, die unter einem „Beflissenheitssyndrom“ leiden, greifen dieses Wort begierig auf. Jeder will zeigen, dass er auf der Höhe der Zeit ist. Und so wird nun auch der Freedom-Day erwartet.
Was wir sonst zu diesem bedeutungsvollen Tag hören, stimmt traurig: Der Wortschatz der Kinder wird immer kleiner. Kein Wunder, denn die Anglizismen verdrängen die deutsche Sprache immer mehr:
Anscheinend ist sie vielen Werbemanagern nicht modern genug. Wo man hinschaut, stößt man auf Anglizismen: „Coffee-to-go“, „Sale“, „Handy“ (was es nicht einmal im Englischen gibt), „chill-out“, „sun-downer“ und dergleichen mehr.
Nicht nur der deutschen Sprache wird Gewalt angetan. Auch das Bayrische wird immer mehr verballhornt. Besonders schlimm sind oft die Speisekarten bayrischer Hotels und Gaststätten. Selbst hochklassige Hotels machen mit, indem sie sich gewaltsam bayrisch geben: „Ganserl im Safterl“. Wer bitte-schön redet denn so im schönen deutschen Süden? Noch schlimmer ist das, was beispielsweise auf einer Alm angeboten wird: „Wos Fischig‘s“ oder “wos Nudlig‘s“. Da kann einem als Bayer schon der Appetit vergehen. Die Würste sind das Gericht, das am meisten bajuwarisiert wird: „Würstln“, „Würscht“ oder „Würschtel“. Ob so etwas den preußischen Gästen wirklich besser schmeckt? Und was ist mit den Ausländern, die ohnehin oft schon genug Schwierigkeiten mit dem Hochdeutschen haben? Man sieht also: das Pseudo-Bayrisch zeigt an, dass man sich auf provinziellem Niveau bewegt.
Der „Aküfi“: Was ist das denn? So werden Sie fragen. Der Aküfi ist eine Krankheit, die immer mehr um sich greift. Neulich hat Minister Söder in Traunstein ein BayernLab eröffnet. Was bedeutet das? Dank des Aküfi wissen wir es nicht.
Aküfi bedeutet übrigens Abkürzungsfimmel und der begegnet uns überall. Kürzlich habe ich beim Zeitungslesen gedacht, dass ich vielleicht zu alt bin und bei den modernen Ausdrücken nicht mehr mitkomme. Und da habe ich in einem Café einen Test gemacht. Ich bin von Tisch zu Tisch gegangen und habe die Gäste gefragt, was Abkürzungen, die in der Zeitung standen und die ich nicht begriffen hatte, bedeuten würden. Kein Mensch kannte sich aus.
Die Sprache ändert sich ja ständig. Was mich aber daran stört, ist die Tatsache, dass diejenigen, die nicht richtig deutsch können, die Änderungen bestimmen. So wurde das Partizip „eingeschaltet“ geändert in „eingeschalten“. Das hört man sogar im Fernsehen so: „Danke, dass Sie wieder eingeschalten haben“. Da stellen sich bei mir sämtliche Haare auf, soweit noch vorhanden.
Und manche Modeworte setzen sich plötzlich durch. Man fragt sich: Wieso? Wahrscheinlich treffen sie den Zeitgeist. Gerade hörte ich in den Nachrichten, dass jemand als Bürgermeisterkandidat „gehandelt“ wird. Normalerweise hätte man bisher gesagt: „Am meisten Chancen hat….“ Wenn sich nun eine Redewendung mit „handeln“ eingeschlichen hat, so ist das wohl als Zeichen dafür zu werten, dass viele bei uns alles für käuflich halten und die Politik als Kuhhandel betrachten.
Die Bundeszentrale für politische Bildung gab bekannt: Auch in Deutschland soll der Begriff „Farbige“ vermieden werden. Ist die Hautfarbe relevant, sei es demnach besser, von „schwarz“ zu sprechen.
Das ist kein Witz, sondern eine echte behördliche Verlautbarung. Ach, was haben wir doch dauernd für Probleme! Und was sind wir doch für superkorrekte Gutmenschen. Jetzt haben wir uns schon den netten Neger („Negerkuss“) abgewöhnt, und jetzt dürfen wir auch nicht mehr „Farbige“ sagen. Was schreibt man nun, wenn man einen Oberbegriff für Gelbe, Rote und Schwarze benutzen will. Ich schlage vor: „Menschen mit nichtweißer Hautpigmentierung“. Oder wissen Sie was Besseres?
Im österreichischen Fernsehen sieht man „Previews“ von Filmen, die zur „Prime-Time“ gesendet wurde. Warum zum Teufel heißt die Einblendung nicht „Vorschau“? Und warum redet man dauernd von der „Prime-Time“? Anglizismen mögen ja angebracht sein, wenn das englische Wort eine moderne Erscheinung bezeichnet wie beispielsweise den „Nerd“. Würde man stattdessen „Computerfreak“ sagen, wäre das auch wieder englisch. Und „Sonderling“ passt auch überhaupt nicht.
Die Ausbreitung der Anglizismen ist in der Regel darauf zurück zu führen, dass sich die Leute modern vorkommen, wenn sie die englische Sprache benutzen. Deshalb ist schon ungefähr die Hälfte der Werbesprüche englisch und an den Läden liest man Worte wie „Outlet“, „Sale“, usw.
Eine Grenze ist jedoch für mich dort überschritten, wo selbst ich, der ich die englische Sprache beherrsche, nicht mehr mit komme. So las ich in einer deutschsprachigen E-Mail gerade: „btw“. Keine Ahnung, was das bedeuten sollte, zumal ich ja nicht wusste, dass das eine englische Abkürzung für „by the way“ war. Warum schrieb der Absender nicht einfach: „nebenbei“ oder „übrigens“? Weil er offenbar ein Angeber ist und mir wohl zeigen wollte, wie viel mehr er auf der Höhe der Zeit ist als ich.
An Allerheiligen brachte das ZDF in den Nachrichten die Meldung, dass die Menschen zu diesem Tag ihre Gräber „pimpen“. Entsetzlich, wenn solche Worte in den Nachrichten gebracht werden, noch dazu aus solchem Anlass. Zwar hat es das Wort pimpen so weit gebracht, dass es im Duden steht, aber warum verteidigen wir nicht unsere deutsche Sprache, indem wir die herkömmlichen Wörter verwenden und also in den Nachrichten den Satz zu hören bekommen, dass an Allerheiligen die Gräber geschmückt werden. Im übrigen ist das Ausschmücken der Gräber eine alte Tradition und dazu passt so ein englisches Wort wie „pimpen“ überhaupt nicht. Haben die Leute beim ZDF denn kein Sprachgefühl? Und vergewissern sie sich nicht, woher das Wort „pimpen“ kommt? Es bedeutete eigentlich als Zuhälter tätig sein! Und es klingt fast wie „pimpern“, was so viel wie „vögeln“ heißt.
Früher ging man einkaufen, heute geht man shoppen. Manche Sprachwissenschaftler schimpfen darüber. Aber man muss schon sehen, dass die englischen Wörter vielfach etwas anderes bezeichnen als die deutschen: Backfische gibt es nicht mehr, sondern nur Teenager und die sind ganz etwas anderes. Auch unter „Kids“ stelle ich mir etwas anderes vor als unter dem Begriff „Kinder“. So gäbe es noch viele Beispiele.
Aber um auf das Einkaufen zurück zu kommen: Zu meiner Zeit ging man nur dann zum Einkaufen, wenn man etwas brauchte. Erst wenn beispielsweise ein Jackett zerschlissen war, kaufte man sich ein neues.
Heute geht man zum Shoppen, auch wenn man gar nichts Neues braucht. Das Herumschauen in den Geschäften ist zu einer Freizeitbeschäftigung geworden. Durch das Shoppen (und Fernsehen) merken viele Menschen, dass sie mit sich bzw. ihrem Leben nichts anzufangen wissen.
Ich bin wie gesagt von vorgestern. Das merke ich auch, wenn ich beispielsweise den „Spiegel“ lese und auf Ausdrücke stoße, von denen ich bisher dachte, dass sie zum Jargon meiner Enkel gehören, wenn sie mit Altersgenossen reden. Da lese ich beispielsweise „Smoothie“ und ähnliche Ausdrücke, die das Rechtschreibprogramm meines PC noch als fehlerhaft rot unterringelt.
Da ärgere ich mich, wenn ich auf einmal meine eigene Muttersprache nicht mehr ganz verstehe und nachschlagen muss, was genau gemeint ist. Ich erkläre mir solche Spiegelartikel mit den neumodischen Ausdrücken so, dass man gerne unheimlich modern sein möchte, um damit zu zeigen, dass man auf der Höhe der Zeit ist. Es scheint schlimm um den Spiegel zu stehen, wenn er so etwas nötig hat.
Je älter ich werde, umso mehr merke ich, dass vieles, was heute Sprachgebrauch ist, mir gegen den Strich geht. Ich habe hier ja schon über die Anglizismen oder die ständig neuen Modeworte geschrieben, bei denen ich nachschlagen muss, was sie bedeuten. Aber am schlimmsten finde ich die Wörter, die sich aus dem Bereich Sex in die Alltagssprache eingeschlichen haben. Mir würde nie über die Lippen kommen, etwas geil zu finden, was in meinem alten Sprachgebrauch süchtig nach Sex bedeutet. Aber das Wort ist heute Alltagssprache. Gerade wurde sogar in der ARG die politische Sendung „Bericht aus Berlin“ mit dem Wort supergeil angepriesen. Was soll das? Wäre es nicht notwendig, dieser Sendung einen sachlichen Vorspann voran zu stellen?
Übler jedoch sind allgemein benutzte Redewendungen wie diese:
Der hat keine Eier!
Das geht mir auf den Sack (bzw.: die Nüsse)!
Völlig absurd klang in meine Ohren, als kürzlich in einer Talkshow sogar eine Frau fand, das ginge ihr auf den Sack.
Inzwischen heißt es: „Im Sommer diesen Jahres…“ Schrecklich hört sich das für mich an, was sich da immer mehr ausbreitet. Nirgendwo höre ich mehr das, was bisher gegolten hat, nämlich: „dieses Jahres“.
Am schlimmsten aber ist für mich die Tatsache, dass das Wort „brauchen“ abgeschafft und durch „gebrauchen“ ersetzt wird. So hörte ich gerade in den Nachrichten, dass „der Bund immer mehr Geld gebraucht“. Der Unterschied zwischen „brauchen“ im Sinne von benötigen und „gebrauchen“ im Sinne von benutzen geht verloren. Der Film „Vater braucht eine Frau“ würde also neudeutsch heißen: „Vater gebraucht eine Frau“. Und das erinnert mich an einen Spruch aus meiner Halbstarken-Zeit:
Nach dem Essen soll man rauchen
Oder eine Frau gebrauchen.
(Entschuldigung!)
Und noch etwas zu dem Thema: In der Schule haben wir einmal die Regel gelernt:
Wer brauchen nicht mit „zu“ gebraucht
Braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.
Aber auch diese Regel ist heute weitgehend unbekannt.
Nichts gegen eine lebendige Sprache, die sich ständig verändert! Aber es muss ja nicht gerade das falsche Deutsch sein, das sich durchsetzt: Das Virus wurde inzwischen weitgehend zu „der Virus“.
Ich bin es ja gewohnt, dass ich als alter Mensch vieles von dem modernen Zeug nicht verstehe. Wenn ich gerade auf meinem Browser las, dass nach einer Phase des Planking nun eine Phase des Mamming folgt, dann muss ich erst einmal googeln, um zu wissen, um was es geht. So geht es mir fast jeden Tag. Mit immer mehr Anglizismen wollen Schreiberlinge zeigen, wie blöde sie anderen sind.
Schrecklich ist für mich auch der aufgekommene Missbrauch des Wortes Kultur:
So sprach die Nachrichtensprecherin im Fernsehen von einer „Kultur des Schweigens“. Was ist denn das denn für eine Kultur?
Kein Wunder, dass es mit unserer Sprachkultur immer weiter abwärts geht, wenn diejenigen, die Vorbild sein sollten, so daher reden oder schreiben.
Hier noch ein bisschen „neudeutsch“: Wir haben uns hier schon oft damit befasst, wie sich unsere Sprache (meist zu ihrem Nachteil) verändert. Dem einem fällt etwas ein und alle anderen plappern es nach, weil es so toll klingt.
So werden heute Spiele nicht mehr gewonnen, sondern es werden „Siege eingefahren“. Soweit es um die Formel 1 geht, ist das in Ordnung. Wie aber fährt ein Fußballverein seinen Sieg ein?
Bevor man zu solchen Redewendungen greift, sollte man sich doch erst einmal überlegen, ob sie passen. Und wenn die anderen dann das nach schreiben, sollten sie sich fragen, ob sie damit die deutsche Sprache bereichern.
Schrecklich finde ich auch die Formel „in trockenen Tüchern“. Sie soll von Frauen stammen, die ihr Kind nach dem Bad in ein trockenes Tuch packen. Aber kann man deshalb einen völkerrechtlichen Vertrag „in trockenen Tüchern“ haben?