Schneller als unsere Politiker schauen konnten, waren die Taliban in Kabul. Und viel zu spät hat man die Evakuierung des Botschaftspersonals und der Ortskräfte eingeleitet. Nun sichern amerikanische und türkische Soldaten den Flugplatz von Kabul.
Wie konnte das mit der Sicherung funktionieren, wenn die Taliban die ganze afghanische Hauptstadt erobert haben und demnach in der Lage sein müssten, den Flugplatz durch Beschuss lahm zu legen? Aber sie wollen anscheinend kein Blutbad. Sie wollen offenbar mit ihrem Verhalten signalisieren: Wir sind auf dem Wege, ein normaler Staat zu werden.
„Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“, so heißt ein bekannter Spruch. Und so erinnere ich mich an Saddam Husseins Eindringen in Kuwait. Damals las man von Gräueltaten wie Aufschlitzen der Bäuche von Schwangeren und dergleichen. Alles gar nicht wahr! So stellte es sich hinterher heraus. Man hatte diese Berichte in die Welt gesetzt, um ein Eingreifen des Auslands zu erreichen.
Vielleicht sind ja auch die Schauergeschichten über die heutigen Taliban nur geschrieben worden, um das Volk bei der Stange zu halten. Gewiss waren sie Terroristen, aber man fragt sich, ob sie es auch gegenüber der eigenen Bevölkerung waren und nun auch sein werden. Die Tatsache, dass die afghanischen Soldaten einfach zu den Taliban über gelaufen sind, zeigt, dass sie keine Racheakte fürchteten. Sie wollen angeblich eine Amnestie und es sollen sogar Frauen an der Regierung beteiligt werden. Das klingt gut, aber fast zu schön, um wahr zu sein.
Es bleibt also spannend. Wenn die Taliban klug sind, folgen sie ihrem leuchtenden Vorbild Süleiman.