Ich habe ja schon einmal einen Beitrag darüber geschrieben, was sich alles in Deutschland verändert hat:
https://autorenseite.wordpress.com/2021/09/24/das-muessen-sie-lesen-so-hat-deutschland-sich-veraendert-weiter-so/
Aus aktuellem Anlass muss ich hier noch nachtragen, wie sich die Wohnungssituation für Studenten verändert hat.
Als ich vor 65 Jahren studierte, war die Lage völlig anders:
Mein Freund hatte ein Zimmer im Haus des Chefarztes der HNO-Klinik im nobelsten Stadtteil Münchens. Es war damals durchaus üblich, dass Professoren Studenten bei sich aufnahmen.
Und die Münchner Zimmervermieterinnen waren eine Zunft für sich: Viele einsame verwitwete Frauen nahmen gerne Studenten bei sich auf, um ein bisschen Leben um sich zu haben. Ich habe da einen guten Überblick, denn meine Familie war von Kiel nach München umgezogen und so wurde ich von Mitschülern und Freunden oft gebeten, für sie ein Zimmer zu besorgen, denn viele wollten auch mal in München studieren. Was habe ich da für nette Frauen kennen gelernt, die ein herzliches Verhältnis zu ihren jungen Mietern hatten. Sie fühlten sich als „Ersatzmütter“und achteten darauf, dass der „arme Bua net untergeht im Sumpf der Großstadt“. Sie hatten auch immer die Freundinnen, die ihnen manchmal vorgestellt wurden, im kritischen Blick .
Es gab so viele nette Gespräche mit den Wirtinnen, an die ich mich gerne erinnere. Da gab es viel Grund zur Gaudi: Preußen-Bayern, Alt-Jung, Männer-Frauen…
Heute sitzen viele alte Frauen, deren Kinder aus dem Haus sind und die ihren Ehemann überlebt haben, allein in ihren viel zu großen Wohnungen, aber sie würden niemals einen Studenten bei sich aufnehmen. Als einmal eine von ihnen gefragt wurde, wieso, sagte sie:
„Lieber ginge ich zum Putzen.“
Was hat sich hier geändert? Zum einen gab es früher Regeln, die die Vermieter in den Mietverträgen aufstellten und die beachtet wurden, z.B.: „Keine Damenbesuche nach 22.00 Uhr.“ All diese Regeln wurden von der Rechtsprechung außer Kraft gesetzt, so dass man heute nicht mehr weiß, auf was man sich einlässt, wenn man vermietet: Vielleicht hat man das Pech, dass plötzlich eine Kleinfamilie in der Wohnung haust und man diese bei der überlasteten Justiz so schnell nicht los wird.
Das ist die eine Seite des Problems. Die andere ist offenbar diese: Früher waren die Menschen – wie ich finde – netter zueinander: Wenn man schon das Glück hatte, sozusagen als Adoptivsohn bei einer Witwe wohnen zu dürfen, dann zeigte man sich dankbar und erfüllte vielleicht einige ihrer Wünsche, indem man ihr gelegentlich Gesellschaft leistete, wenn sie Unterhaltung wollte, oder man erledigte mal eine Besorgung für sie. Heute besinnen sich die mietenden Studenten eher auf ihre Rechte und das hat natürlich Folgen.
So wäre es heute ein kaum glaublicher Anachronismus, wenn ein Professor einen Studenten bei sich aufnehmen würde. Das stünde sicherlich in der Zeitung.