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CSU-Landesgruppenchef Dobrindt, der bekannt für seine verbalen Entgleisungen ist, hat von einer „Anti-Abschiebeindustrie“ gesprochen und sich damit eine Rüge des Präsidenten unseres obersten Gerichts zugezogen. Man sollte aber doch einmal darüber diskutieren, ob etwas dran ist an seinem Vorwurf:
Zunächst einmal gibt es natürlich wie überall auch unter den Anwälten schwarze Schafe, die mit unlauteren Mitteln eine Abschiebung verhindern wollen. Ein Beispiel erlebte eine Bekannte, deren Nachbarin von der Ausländerbehörde mit der Mitteilung überrascht wurde, ihre studierende Tochter sei mit einem Ausländer verheiratet. Es stellte sich heraus, dass sie und einige Kommilitoninnen gegen Bezahlung Scheinehen mit Ausländern eingegangen waren, um diesen ein Bleiberecht zu verschaffen. Ein Anwalt hatte das Ganze organisiert.
Aber es ging Dobrindt wohl nicht nur um solche Fälle, in denen strafbares Verhalten vorliegt, sondern wahrscheinlich meinte er eine ganze Masse von anderen Fällen, die aus meiner Sicht zwielichtig sind:
Eine große Zahl von Ausländern kommt nach Deutschland ohne die geringste Aussicht auf Asyl. Darf dann ein Anwalt bei völlig klarer Rechtslage den Instanzenzug beschreiten, nur um dem Ausländer etwas zu bescheren, was ihm nicht zusteht: nämlich einen längeren Aufenthalt in Deutschland – womöglich unterstützt mit öffentlichen Mitteln? Ich würde meinen, das verstößt gegen die Standesregeln des Anwaltsberufs:
Für ihn gilt nämlich das Gebot der Sachlichkeit in § 43 a Abs. 3 BRAO. Dort heißt es: „Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten.“ Ich halte es für unsachlich, wenn ein Anwalt den völlig nutzlosen Instanzenzug beschreitet, um damit etwas zu erreichen, was seinem Mandanten nicht zusteht.
Die BERUFSREGELN DER RECHTSANWÄLTE DER EUROPÄISCHEN UNION bestimmen:
„Der Rechtsanwalt hat dafür Sorge zu tragen, dass sowohl der Rechtsstaat als auch die Interessen des Rechtssuchenden, dessen Rechte und Freiheiten er vertritt, gewahrt werden… Die Achtung der mit dem Rechtsanwaltsberuf verbundenen Funktion ist eine unabdingbare Voraussetzung für einen Rechtsstaat und eine demokratische Gesellschaft.“
Tragen Anwälte wirklich Sorge für den Rechtsstaat, wenn sie die Gerichte mit Asylverfahren überhäufen, bei denen klar ist, dass sie völlig aussichtslos sind? Halten Sie nicht dadurch die Gerichte davon ab, sich in absehbarer Zeiz um die Fälle zu kümmern, die es wert sind?
Ich meine, Dobrindt sollte seinen verfehlten Ausdruck über die „Anti-Abschiebeindustrie“, dafür benutzen, um eine Diskussion darüber herbei zu führen, was ein Anwalt tun darf und was nicht. Es kann doch beispielsweise nicht sein, dass Anwälte von Straftätern nur deshalb ein Rechtsmittel einlegen, weil dann ihr Mandant angenehmer in U-Haft als in Strafhaft sitzt.
Dobrindt sollte Lehren aus dem Fall Özil ziehen: Dieser Mann, der wegen seines schlechten Spiels, seines Fotos mit Erdogan und wegen Nicht-mit Singens der Nationalhymne zu Recht in der Kritik stand, hat einen Gegenangriff gestartet, der ihn in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt hat.
Anwälte waren einmal honorige Leute mit strenger Berufsauffassung: So verstieß es gegen ihre Berufsehre, die Einrede der Verjährung zu erheben, wenn nicht ein sachlicher Grund dafür vorhanden war. Heute prüft ein Anwalt als erstes die Frage der Verjährung.
Oder anderes Beispiel: Ein Anwalt mied früher jeden Kontakt zu Zeugen, damit das Gericht sich einen unverfälschten Eindruck von dessen Aussage machen konnte. Anders ist es heutzutage. So hörte ich von einem Zeugen, er sei von einem Anwalt vorgeladen worden, um die Aussage vor Gericht zu üben.
Am schlimmsten sind für mich Anwälte, die für zwielichtige Abzockfirmen und deren Inkassobüros arbeiten: Meine Tochter erhielt einmal einen vermeintlichen Anruf von der Telekom, in dem ihr vorgemacht wurde, es ginge um die Verbesserung ihres Anschlusses. Sie gab dabei unglücklicherweise ihre Anschrift an. Darauf hin behauptete dieser Netzbetreiber, sie habe einen Vertrag geschlossen. Meine Tochter hat diesen nicht bestehenden Vertrag vorsichtshalber auch noch mit Einschreiben rechtzeitig widerrufen.
Trotzdem wurde sie mit ganz üblen Drohbriefen des Netzbetreibers, eines Inkassobüros und schließlich eines Anwalts geradezu bombardiert. Obwohl ich meiner Tochter riet, das ganze Zeug wegzuwerfen und die Annahme solcher Post in Zukunft zu verweigern, zahlte sie schließlich doch über 200 Euro. Sie sagte mir, sie sei im Beruf so gestresst, dass sie solchen zusätzlichen Stress nicht brauchen könne. Sie zahle gern dafür, dass sie ihre Ruhe habe. Ich habe mich damals bei der Anwaltskammer beschwert, aber nichts mehr gehört.
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