Wenn ich nun die Flüchtlinge aus Nahost in ihrer Not sehe, denke ich an das Kriegsende bei uns. Wir wohnten damals in Kiel, einer Stadt, die besonders bombardiert wurde, weil sie der Kriegshafen der Marine war. Wir saßen Nacht für Nacht im Bunker, der bedenklich schaukelte, wenn Bomben in der Nähe einschlugen. Kiel war schließlich zu 88 % zerstört und wir waren froh, die Bombenangriffen überlebt zu haben.
Aber wir hatten nichts zu essen. Deshalb fuhren wir zu einer Cousine meiner Mutter nach Rickling, einem kleinen Nest bei Neumünster. Dort suchten wir während der Herbstferien die abgeernteten Kartoffeläcker nochmals ab und hatten tatsächlich am Ferienende einen erfreulichen Vorrat beisammen.
Während der ganzen Zeit fuhr ununterbrochen bei Tag und Nacht ein Flüchtlingstreck durch das Dorf: Manche Menschen kamen mit einem größeren Leiterwagen, der von einem Pferd gezogen wurde, andere hatte kleine Wagen und zogen selbst. Viele weinten und Menschen am Straßenrand, die das Elend mit ansahen, weinten mit. Die Leute flohen vor den Russen, denen man Schlimmes nachgesagt hatte, und die Flüchtlinge wollten sich in das Gebiet retten, das später die Briten einnahmen. Eine Flucht ins Ausland aber war den Deutschen verwehrt; sie blieb ein paar Prominenten vorbehalten.
Aber auch von den „Tommys“ war nichts Gutes zu erwarten. Ihre Tiefflieger beschossen diese armen Menschen, die sich dann unter ihre Wagen warfen.
Diese vielen Flüchtlinge mussten ja dann irgendwo untergebracht werden. Die Wohnungsämter verteilten den knappen Wohnraum. Unsere 4-köpfige Familie musste 2 Räume der 4-Zimmerwohnung hergeben.
An diese Zeit erinnern heute noch Tafeln, die man in manchen Städten sieht: